Rückschau 2008

ARENA-Salon (3. Dezember im Kellertheater, Moderation Katja Fusek). Ingeborg Kaiser und Valentin Herzog stellen an einer salonartig zwanglosen Veranstaltung ihre neuen Bücher gegenseitig vor, lesen daraus und unterhalten sich über ihre literarische Arbeit: Kaisers Gedichte ("matou") sind einer Katze gewidmet, die zwanzig Jahre lang das Leben der Autorin begleitete. Herzogs Erzählungen ("Alifas Zeichen") setzen Eindrücke und Beobachtungen literarisch um, die er während langer Aufenthalte in Marokko gesammelt hat. Die etwas improvisierte und nicht sehr glücklich terminierte Veranstaltung ist ordentlich besucht.

Gabrielle Alioth (27. November im Kellertheater, Einführung: Rosmarie Schürch) stellt ihren neuen Roman "Die Braut aus Byzanz" vor. Alioth erzählt von der byzantinischen Prinzessin Theophanu, die im Jahr 972 als künftige Gattin Kaiser Ottos II. nach Westen geschickt wird, am noch reichlich barbarischen, ständig herumziehenden Kaiserhof einen schweren Kulturschock erlebt, sich aber trotzdem klug, mutig und energisch gegen Vorurteile und Feinde zu behaupten vermag. Die Autorin informierte sehr konzentriert über Genese und Konzept des Buches und las eindrucksvolle Textpassagen. (Guter Besuch.)

Richard Ehrensperger(6. November im Kellertheater, Kaleidoskop, Einführung Edith Lohner) liest "Züritüütschi Täggscht", darunter auch einige Sonette zu (projizierten) Bildern aus seinen Skizzenbüchern. Die Texte des ehemaligen Primarlehrers sind meist autobiographisch gefärbt und fangen gewisse Szenen aus dem dörflichen Alltag ein, bald humorvoll, bald beklemmend wie die Erinnerungen an die Begegnung mit russischen Internierten während des letzten Weltkriegs. Umrahmt wird die Lesung vom intensiven Harfenspiel der Vorarlbergerin Veronika Ehrensperger, die auch Elemente der Volksmusik und des Jazz in ihre Musik integriert und so einen spannungsreichen Rahmen, teilweise auch dichte Hintergründe für Ehrenspergers Erzählungen und Gedichte schafft.

Jiddische Liebeslieder (22. September im Kellertheater – Organisation Lea Meier): Prof. Astrid Starck gibt eine knappe Einführung in das Wesen des jiddischen Volkslieds und seine Stellung innerhalb der jiddischen Kultur; dann trägt der Chor ihrer Studenten mit spürbarer Begeisterung zehn Liebeslieder vor, deren Inhalte dem Publikum jeweils von dem so locker wie präzis agierenden Sprecher Harald Weber in einem virtuosen Gemisch aus Jiddisch und Schriftdeutsch vermittelt worden sind. Susanne-Louise Ganzoni (Akkordeon), Kaspar Wildberger (Klarinette) und drei Violinen begleiten und stützen den Gesang. Das Publikum, das das Kellertheater buchstäblich bis zum allerletzten Platz gefüllt hat, klatscht anhaltenden Beifall.

ARENA-Lyrikpreis ( 7. September 2008, im vollbesetzten Lüschersaal – Moderation Valentin Herzog, Organisation Urs Allemann): Endrunde des Wettbewerbs um den ARENA-Lyrikpreis. Die aus Urs Allemann, Wolfgang Bortlik, Rudolf Bussmann, Ingeborg Kaiser, Birgit Kempker und Kathy Zarnegin) bestehende Fach-Jury hatte aus über hundert anonymisierten Einsendungen neun Lyrikerinnen und Lyriker für dieses öffentliche Wettlesen ausgewählt: Andrea Graf, Joanna Lisiak, "Satz & Pfeffer" (= Judith Stadlin und Michael van Orsouw), Andreas Saurer, Monika Schnyder, Michael Stauffer, Markus Stegmann und Brigitte Tobler. Nach jedem einzelnen Auftritt wurden die Texte von allen Jurymitgliedern in kritischen Statements gewürdigt. Nach rund zwei Stunden schritten Jury und Publikum zur Abstimmung über die zu vergebenden (von der Stiftung homo ludens, dem Fachausschuss Literatur BS-BL und der Gemeinde Riehen gestifteten) Preise.
Der erste Preis der Jury (Fr. 1000.-) und der Preis des Publikums (Fr. 600.-) gingen an Michael Stauffer für den langen lyrischen Text "Der Gehilfe geht". Der zweite Preis der Jury (Fr. 600.-) ging an Andrea Graf für ihre perfekt vorgetragenen Lautgedichte. Der dritte Jurypreis (Fr. 300.-) ging an Markus Stegmann.
Nach Meinung des sachverständigen Publikums hätte Andreas Saurer einen zweiten und Brigitte Tobler einen dritten Preis verdient. Dass sie leer ausgingen hat seinen Grund darin, dass bei ARENA-Wettbewerben stets nur ein Publikumspreis vergeben wird.

Annemarie Schwarzenbach I (22. Mai im Kellertheater – ein Gemeinschaftsprojekt von ARENA und Literaturhaus). Margrit Manz und Valentin Herzog lesen die eben aus dem Nachlass erschienene Erzählung "Eine Frau zu sehen", die von verhaltener Erotik knisternde Geschichte einer Leidenschaft und zugleich das literarisch gestaltete Bekenntnis der Autorin zu ihrer lesbischen Veranlagung.

Annemarie Schwarzenbach II (23. Mai im Literaturhaus Basel – zweiter Teil des Gemeinschaftsprojekts): Alexandra Lavizzari präsentiert und diskutiert ihr eben erschienenes Buch über die leidenschaftliche Begegnung zwischen Schwarzenbach und Carson McCullers im New York des Jahres 1940.
Beide Veranstaltungen stossen erwartungsgemäss auf ein ungewöhnlich starkes Publikumsinteresse.

Ingeborg Kaiser (29. April im Kellertheater, Einführung: Valentin Herzog) liest zum ersten Mal öffentlich aus ihrem soeben im OSL Verlag erschienenen Roman "Alvas Gesichter", einem bestürzenden Dialog zwischen einer realen Erzählerin, die im Tessin Geschichten für ihren Enkel schreiben will, und der namenlosen Alkoholikerin, die sich mit ihren Bekenntnissen rücksichtslos in die eher beschauliche Existenz der Schriftstellerin drängt.
Alvas Gesichter holen die Schriftstellerin immer wieder ein … Es gibt kein Entrinnen.
Sabine Waelti, RZ,10. 5. 08
Ein reicher, reifer, kluger und sorgfältig schöner Text … Einer der viel vom Leben weiss und viel von der Sprache.
Verena Stössinger, bz, 29. 4. 08

Arnold Spescha und Mevina Puorger (8. April im Kellertheater – Kaleidoskop) lesen Gedichte aus Speschas eben erschienenem Band "Ei dat ils muments da pass lev – Zeiten leichtfüssigen Schritts" und diskutieren miteinander – und mit dem Publikum – über die Möglichkeiten des Rätoromanischen Schreibens und insbesondere auch über die Schwierigkeit, lyrischer Texte aus dem klangreichen Sursilvan (Speschas Sprache) in das so viel härtere, aber auch präzisere Deutsch zu übertragen. Bemerkenswert: Spescha fühlt sich immer wieder veranlasst, die deutschen Formulierungen, die seine Übersetzerin Puorger gefunden hat, gegen deren eigene Sprachskepsis zu verteidigen.

Joachim Ringelnatz (13. März im Kellertheater): Eva Hilbck und Valentin Herzog geben einen Überblick über die bewegte Biographie und einen Querschnitt durch das dem Dadaismus nehestehende lyrische Schaffen des vor 125 Jahren geborenen Dichters. Neben die autobiographischen Texte ("Mein Leben bis zum Kriege" und "Als Mariner im Krieg") treten die fulminant sprachspielerischen Gedichte ("Vom Seemann Kuttel Daddeldu", "Seemannstreue", "Das Terrbarium" u. v. a.), die meist in dramatisch inszeniertem Stimmwechsel vorgetragen werden. Das Publikum im bis zum letzten Platz besetzten Kellertheater dankt mit ungewöhnlich heftigem Applaus und grossen Komplimenten.
Ein unterhaltendes und anregendes literarisches Furioso.
Urs Grether, RZ, 20. 3. 08

Elisabeth Binder (29. Januar im Kellertheater, Einführung Valentin Herzog) las aus ihrem jüngsten Roman "Orfeo", der die Wiedeerbegegnung eines seit vierzig Jahren getrennten Paares vor dem Hintergrund der Lagunenstadt Venedig und mit mancherlei Bezügen zum antiken Orpheus-Mythos erzählt.
Faszniert vom antiken Mythos und seinen barocken Bearbeitungen, hat Binder auch die starke Beziehung von Orpheus zur Natur mit [gestaltet] … Bauer, die moderne Romanfigur … versucht sich als Dichter. Sein Paradies ist sein Garten
Magdalena Mühlemann, RZ, 1. 2. 08
Nicht nur die Geschichte wusste an diesem Abend zu bannen, sondern auch die eindringlich-sanfte Art, wie die Autorin las.
Roswitha Frey, Badische Zeitung, 1. 2. 08