Rückschau 2010
Otto Zumoberhaus ( 23. November, Kellertheater, Einführung Edith Lohner), der Autor des grossartigen Familienepos "Am Schattenberg" (in der ARENA am 10. März dieses Jahres) führt das Publikum des Kaleidoskops in der ARENA in die Welt seiner heimatlichen Sprache ein. Mit Erzählungen, Gedichten, Limericks und klugen Exkursen machte er seine Zuhörerschaft auf die klanglichen Reize und vor allem auch auf den unglaublichen Variantenreichtum seines Heimatdialekts aufmerksam, den die Walliser selber als "Schlächt-Ditsch" (im Gegensatz zum "Guet-Ditsch", der Schriftsprache) bezeichnen. An die Lesung schlossen sich beim Apéro im Foyer des Kellertheaters lebhafte Diskussionen und Gespräche an.
Ingeborg Kaiser (11. November im
Kellertheater) feiert mit der ARENA ihren 80. Geburtstag. Im Gespräch
mit Valentin Herzog werden wichtige Stationen ihres Lebens und ihres
literarischen Schaffens angesprochen und durch kurze Textpassagen
illustriert. Dann liest die Autorin, immer wieder von Fragen oder
Anmerkungen des Moderators unterbrochen, Lyrik und Prosa aus dem zu
ihrem Jubiläum im OSL Verlag erschienenen Band "gegen abend oder
später".
In dieser empfindsamen und souveränen Verknappung der
Sprache glückt Ingeborg Kaiser eine bewundernswerte Konzentration des
Gesagten. Das zu lesen wird zum ernsten Vergnügen.
(Nikolaus Cybinski, RZ, 19. 11. 2010)
"Marienglas" (Dorfkirche Riehen, 31. Oktober, Gemeinschaftsprojekt mit Kunst in Riehen) – konzertante Aufführung der Kammeroper von Beat Gysin nach
Franz Kafkas Roman "Das Schloss". Musikalische Leitung Jürg
Henneberger. Im anschliessenden von Valentin Herzog moderierten
Gespräch mit dem Komponisten und dem Philosophen Hans Saner werden
wichtige Elemente des musikalisch-philosophischen Konzepts deutlich
gemacht, das dieses avantgardistische Werk geprägt hat.
Der Musik von Gysin sind sechs Textausschnitte aus dem
Romanfragment zugrunde gelegt. Natürlich machen sie nur einen sehr
kleinen Teil der kafkaschen Prosa aus. Erkennbar wurde gleichwohl der
Gehalt dieser genialen Parabel, die den völlig aussichtslosen Kampf
eines einzelnen Menschen gegen welches gesellschaftliche System auch
immer schildert … der Einzelne und der Totalitarismus.
(Paul Schorno, RZ, 5. 11. 2010)
Lea Gottheil ("Sommervogel"), Julia Blesken ("Ich bin ein Rudel Wölfe") und Julia Gäbel ("Pitys Blues") sind die Finalistinnen im Wettbewerb um den Hirzen Buchpreis 2010 (12. September im Hirzenpavillon), der von der ARENA durch Ausrichtung zweier Anerkennungspreise, durch Werbemassnahmen und durch die Delegation ihres Präsidenten in die Jury mit getragen wurde. Der Preis wird im Rahmen eines aufwendigen, aber nach unserer Meinung eher missglückten Events an Lea Gottheil (Gast der ARENA am 19. 1. dieses Jahres) verliehen. Die ARENA wird sich künftig nicht mehr an der Vergabe dieses Preises beteiligen.
Johann Peter Hebel (26. August im Kellertheater). Zur Saisoneröffnung und zum zwanzigjährigen Jubiläum des Kaleidoskops liest Urs Allemann zwei
der grossen alemannischen Gedichte und eine Anzahl wenig bekannter
Texte aus den Kalendergeschichten, wobei es ihm darum geht, J. P.
Hebel in seinem 250. Geburtsjahr als genialen Spieler zu zeigen und auch
seine Affinität zu Grausamkeit und Gewalt nicht zu verschweigen. Er
belegt seine These, derzufolge "das Spiel die Gewaltphantasien
poetisch handhabbar" mache, mit klug gewählten Texten, die die
zahlreichen Zuhörer konsequent auf die apokalyptischen Visionen des
Gedichtes über die "Vergänglichkeit" ("Gespräch auf der Strasse nach
Basel zwischen Steinen und Brombach") vorbereiteten.Anschliessend werden das Kaleidoskop und Edith Lohner mit einem reichen Apéro gefeiert.
So ist Hebel lange nicht gelesen worden. (Claudia Gabler, Badische Zeitung, 30. 8. 2010)
Brabara Traber (8.
Juni, Kellertheater, Einführung Edith Lohner) liest kürzere und –
auszugsweise – längere Geschichten, die zwar in berndeutscher Mundart
verfasst sind, vorwiegend aber von weiten Reisen und fremden Ländern
sprechen. Zwischendurch reflektiert die Autorin über das Verhältnis,
das sie als Schreibende zu Mundart und Schriftsprache hat. Beide
Sprachebenen beherrscht sie, der Dialekt aber liegt ihr eindeutig mehr
am Herzen. Der Titel ihrer jüngsten Publikation "Geng no unterwägs"
beweist es.
Es wird einem warm ums Herz. Und man fühlt sich verstanden. (Rolf Spriessler, RZ, 18. 6. 2010)
Markus Ramseier (11. Mai, Kellertheater,
Einführung Katja Fusek) liest aus seinem neuen Erzählband "Licht" kurze,
z. T. sehr kurze Texte, deren Funktion es ist, eine bestimmte Person,
meist einen Aussenseiter, einen gesellschaftlich benachteiligten
Menschen so lange zu fokussieren, bis in seiner Erscheinung, seinem
Verhalten, seinen Äusserungen bemerkenswerte Züge dieser einen Existenz
erkennbar werden. Das kann wenige Zeilen beanspruchen, aber auch einige
Seiten. Klug gesetzte Kommentare öffneten der konzentrierten
Zuhörerschaft den Zugang zu diesen nicht immer ganz leichten Texten.
Ja das Lügen ist Ramseiers Ding nicht. Und so redet er viel
um seine Geschichten, nennt die Beobachtungen und Erfahrungen, die
hinter den Texten stehen … will sich einen Weg bahnen zum Publikum –
dabei hat er es längst eingefangen mit seinen winzigen Lichtspots … und
seiner entwaffnenden Offenheit.
(Claudia Gabler, Badische Zeitung, 15. Mai 2010)
Wolfgang Bortlik (20. April, Kellertheater,
Einführung Rosmarie Schürch und Elke Müller) liest aus seinem
satirisch-sarkastischen Kriminalroman "Fischer hat Durst" geschickt
ausgewählte Passagen, die ein plastisches Bild des an allen Fronten
gescheiterten Literaten Fischer zeichnen, böse Seitenhiebe auf den
Kulturbetrieb einer ungenannten Stadt am Rheinknie erlauben und dem
Autor Gelegenheit geben, einige der 60erjahre-Songs aus dem
musikalischen Fundus seines Helden mit seiner ausdrucksvoll gestaltenden
Stimme und der Gitarrenbegleitung seines Freundes Gogo Frei vorzutragen.
Der Roman ist ein gewitztes, vielschichtiges, unterhaltsames
und eigenen Regeln folgendes Spiel mit dem Genre des Krimis. Und dies
in einer eigenwilligen und lebhaften Sprache, die er einsetzt, um keck
augenzwinkernd um klug zu frotzeln, zu kritisieren … Viel Applaus.
(Paul Schorno, RZ 23. 4. 2010)
Otto Zumoberhaus (10. März, Kellertheater, Moderation Valentin Herzog) liest aus seinem Erstlingsroman "Am Schattenberg", einer sprachmächtigen, meisterhaft komponierten Familien-, Dorf- und Sozialgeschichte aus dem Oberwallis. deren figurenreiche, streng miteinander verhaftete Episoden um die Zentralfigur eines gewissen Christian Zenthelen (1830-1928) gruppiert sind. Im Gespräch gab der Autor Aufschluss über seine Quellen, über das Verhältnis von Realität und Fiktion, über seine Erfahrung mit dem Lektorat und verschiedenen Verlagen. In der Presse wird Zumoberhaus verschiedentlich als "Gotthelfs katholischer Enkel aus dem Wallis" bezeichnet.
Lese '10 (28. Januar, Kellertheater) Regula Düggelin, Leiterin des Fachausschusses Literatur BS/BL, begrüsst fünf Autorinnen und Autoren, die im vergangenen Jahr Förderbeiträge für ihre Arbeit erhalten haben, nämlich: Wolfgang Bortlik für "Fischer hat Durst", Irena Brežnà für "Auf der Sprachfähre", Martin K. Menzinger für "Spalten", Verena Stössinger für "Leben und Sterben lassen", Daniel Zahno für "Alle lieben Alexia". Die Autoren werden von Anne Schöfer und Jürg Seiberth vorgestellt und lesen jeweils ein Muster aus ihren Projekten. Bemerkenswert: Vier der fünf Autoren waren schon ein- oder mehrmals zu Gast in der ARENA.
Lea Gottheil (19. Januar, Kellertheater,
Einführung Katja Fusek) liest aus ihrem faszinierendenb Erstlingsroman
"Sommervogel", der das Leben einer Frau erzählt: Jugend in der
Vorkriegs- und Kriegszeit in einem abgelegenen Dorf im Bündnerland, nach
dem Tod des Vaters soll sie die Mutter betreuen, emanzipiert sich aber,
findet in Zürich künstlerische Berufsmöglichkeiten und einen sehr
liebevollen Mann, und dennoch misslingt ihr Leben irgendwie. Während
einer langwierigen Krebsbehandlung erinnert sie sich an die früheren
Stationen ihres Daseins.
Es dauerte nur Sekunden, bis Lea Gottheil die Herzen der
zahlreichen Zuhörer ergriffen hatte (…) Szenen, die den Zuhörer
Beeindrucken … Er will die Geschichte befreien, die sich unter einem
Teppich des Verdrängens versteckt.
(Sandra Ziegler, RZ, 29. 1. 2010)