Rückschau 2015

Martin Walker (Donnerstag, 3. Dezember 2015, Einführung Beat Baltensperger) liest einige Passagen aus seinem verspielt amüsanten Roman ″Hotel Schräg″. Er beweist ein gutes Gespür für kleine Pointen, die mit kabarettistischem Flair vorgetragen werden: ″Ohne das Slanthouse (=Hotel Schräg) sähe die Kunstgeschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts ganz anders aus.″ Die freche Behauptung bezieht sich darauf, dass in dem abgelegenen und wenig komfortablen Alpen-Hotel nicht nur die Zürcher Dadaisten, sondern von Malewitsch bis Picasso auch fast alle Grössen der klassischen Moderne residiert haben sollen.
Die Lesung entwickelte sich schnell zum vergnüglichen Erlebnis. Der Text ist höchst amüsant und enthält viele Anspielungen auf Anekdoten aus der Künstlerwelt des frühen 20. Jahrhunderts … Martin Walker versteht es, seinen … Text unglaublich gut vorzutragen. (Rolf Spriessler, RZ 11. 12. 2015)


Jean-Christophe Meyer (Donnerstag, 12. November 2015 im Kellertheater, Einführung Edith Lohner, Kaleidoskop) liest Gedichte aus seinem neuen Band ″Liechtùnge – Clairières″ und neuere Kolumnen aus der Tageszeitung L'Alsace. Ausserdem gibt er einen Überblick über die verzweigte Sprachlandschaft Elass und plädiert leidenschaftlich für Erhaltung und Pflege des immer wieder und immer mehr bedrohten Elsässer Dialekts. Die bekannte Saxophonistin Noëmi Schwank begleitete den Abend.
.. Es war nicht einfach eine Lesung ... es war ein Plädoyer des Elsässers für seine Sprache ... und zugleich ein Aufschrei gegen den drohenden Untergang einer Kultur ... die zu verschwinden droht. (Rolf Spriessler, RZ, 20. 11. 15)


Flavio Steimann (Donnerstag, 22. 10. 2015, Kellertheater, Einführung Katja Fusek) las mehrere Passagen aus dem ersten Teil seines Romans "Bajass". Zentralfigur ist ein gewisser Albin Gauch, Ermittlungsbeamter im Kanton Luzern, dem nur noch "halb geheuer" ist, "dass er Leute fing für einen Staat, der ihn selber gefangen hielt." Im April 1910 wird Gauch zu einem abgelegenen Hof beordert, dessen Besitzer brutal erschlagen worden sind. Zu den wenigen Spuren, die auf den Täter hinweisen könnten, gehört die Fotografie eines verschreckten, auf deren Rückseite das Wort "Bajass" steht. "Bajass" (abgeleitet von Bajazzo) bedeutet das gleiche wie das veraltete Wort "Gauch" (von Gaukler): Taugenichts, Nichtsnutz, Tölpel.
"Bajass" ist nicht nur das Portät eines müden Polizeibeamten, sondern auch die Geschichte der bäuerlichen Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wo Rückständigkeit und Armut herrschen und Kinder brutal ausgebeutet werden.
Wer sich am Ende des Abends entschloss, "Bajass" am Büchertisch zu erwerben, hat damit sicher keinen schlechten Griff getan. (Valentin Herzog, RZ 30. 10. 2015)


Ulrich Blumenbach (Dienstag, 22. 9. 2015, Kellertheater, Einführung Wolfgang Bortlik) ist ein bekannter und mit vielen Preisen ausgezeichneter Übersetzer. Der hochinteressante, vielerlei Einblicke in den Literaturbetrieb gebende Abend gestaltete sich als lockeres Gespräch zuerst mit dem Moderator W. B., dann erfreulicherweise auch mit dem Publikum. Blumenbach sprach von der Herausforderung, die jeder Text, gleich ob es sich um "hohe" oder triviale Literatur handelt, an den Übersetzer stellt, von den weitläufigen Recherchen, die oft nötig werden, und von der Lust an der Arbeit mit Sprache. Dass sein Beruf ein hartes Brot ist, verschwieg er ebenso wenig wie seine Kritik an bestimmten Verlagen, die vor allem mit so genannten Unterhaltungstexten oft so leichtfertig umgehen, dass von der Qualität etwa einer Autorin wie Agatha Christie nichts mehr zu merken ist.
Ins Zentrum des Selbstverständnisses von Ulrich Blumenbach traf wohl die Frage, warum er nicht eigene Bücher schreibe. Die Antwort war verblüffend einfach und ehrlich: "Ich habe nicht das Bedürfnis, selber zu schreiben, denn ich habe im Gegensatz zu den Autoren nichts zu sagen. Ich habe keine Botschaft. Ich arbeite einfach gern mit der Sprache." (Valentin Herzog, RZ 2. 10. 15)

Ingeborg Kaiser (Donnerstag, 27. August 2915 – Saisoneröffnung im Kellertheater, Einführung Valentin Herzog). Die Autorin, die Mitte des Monats ihren 85. Geburtstag gefeiert hat und der das aktuelle (16.) Jahresheft der ARENA gewidmet ist, trägt einem erfreulich zahlreichen Publikum neue, teils unveröffentlichte Gedichte vor, ferner einzelne Passagen aus ihrem neuen Buch über Rosa Luxemburg und R. W. Fassbinder ("Ich war, ich bin, ich werde sein …") sowie ausgewählte Texte aus ihrer im Entstehen begriffenen Autobiographie "Wegtanzen". Gerade dieser Text, in dem familiäre Spannungen ebenso wie der aufkommende Nazi-Terror aus kindlicher Sicht gestaltet sind, vermochte Zuhörerinnen und Zuhörer stark und unmittelbar anzusprechen.
Ingeborg Kaiser verbindet Historisches mit Gedanken über das Leben, über sich selber …"Man will sich auf die Schliche kommen", sagt sie. Ihr dabei zuzuhören ist ein eindrückliches Erlebnis. (Rolf Spriessler-Brander, RZ 4. 9. 15)

Wolfgang Bortlik (Donnerstag, 28. 5. 2015 im Kellertheater, Einführung Beat Baltensperger) liest aus seinem neuen Kriminalroman "Spätfolgen", in dem es nicht um medizinische, sondern um menschliche Spätfolgen des Kampfs gegen die Atomkraftwerke in den 1970er Jahren geht. Melchior Fischer, Bortliks bekannte Hauptfigur, recherchiert für einen Artikel über die damalige Protestbewegung und stösst dabei in Riehen wie in Aarau auf erschreckende Abgründe. Mit spitzer Feder und kühlem Humor zeichnet der Autor seine Figuren – Menschen, die fast alle etwas zu verbergen haben.
Nicht knallharte Spannung und die Rätsellust eines Kriminalromans sind es, die einen beim Zuhören packen, sondern die abstrusen Situationen … und das Alltägliche, das den Zuhörer immer wieder an selber Erlebtes denken lässt. (Rolf Spriessler-Brander, RZ, 5. 6. 15)


Christian Schmid (Dienstag, 28. April 2015 im Kellertheater, Einführung Edith Lohner) stellt die Dialektfassung seines ursprünglich 2002 erschienenen Romans "Näbenusse" ("Nebenaussen") vor. Er handelt von der Kindheit des Autors, der als Sohn eines Grenzwächters im äussersten Zipfel der Ajoie aufwuchs, bevor die Familie nach Basel (und später nach Bern) versetzt wurde. Schmid weiss Szenen und Situationen dieser Kindheit – etwa die Geburt eines Kalbes oder den Bal Musette im nahen Gasthaus – äusserst suggestiv und einfühlsam zu zeichnen und natürlich auch entsprechend vorzutragen. Ganz unaufdringlich schleichen sich dabei auch philosophische Reflexionen ein, etwa über die Wichtigkeit des Schweigens in der die Menschen verschiedene, Pflanzen und Dinge noch einmal andere Sprachen sprechen.
Gastgeberin Edith Lohner hat Recht, wenn sie Christian Schmid einen begnadeten Erzähler nennt. Andächtige Stille, wenn er den Weiler Les Bornes beschreibt, wo sein Vater Grenzwächter war … (Rolf Spriessler-Brander, RZ, 30. 4. 15)


Lukas Hartmann (Donnerstag, 26. März 2015 im Kellertheater. Einführung Valentin Herzog) ist zum zehnten Mal (seit 1993) in der ARENA zu Gast und stellt im überfüllten Kellertheater seinen am Vortag erschienenen Roman "Auf beiden Seiten" vor. Er konzentriert sich dabei auf die beiden wichtigsten Antagonisten, den ehemals radikal linken Journalisten Mario Sturzenegger und seinen einst glühend verehrten, dann heftig bekämpften Deutschlehrer Armand Gruber, Mitglied der geheimen Organisation P-26, die mit dilettantisch-konspirativen Methoden den Widerstand gegen eine "kommunistische" Machtergreifung in der Schweiz plante. Lukas Hartmann überzeugt sein Publikum vor allem dadurch, dass er seine Figuren mit grosser Empathie zeichnet und doch die Objektivität des Blicks auf die Gegenwartsgeschichte wahrt.
"Auf beiden Seiten" ist ein wichtiger, ein gelungener, ein lesenswerter Roman. Und ein irritierender … (Markus Wüest, BaZ, 26. 3. 15)
Der Arena-Abend erlaubte tiefe Einblicke in Stimmung und Sprache des neuen Hartmann-Romans und ließ weit in die Hintergründe blicken, aufgrund derer "Auf beiden Seiten" entstand. (Rolf Spriessler-Brander, RZ 2. 4. 15
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Regula Wenger (Dienstag, 3. März im Kellertheater. Einführung Wolfgang Bortlik) liest aus ihrem Debütroman "Leo war mein erster". Es geht darin um eine gewisse Pia, die als Putzfrau die Wohnungen von Verstorbenen aufräumt, dabei allerhand Geheimnisse entdeckt – und vielleicht auch die Liebe. Skurriles verbindet sich mit Traurigem und der Tod verliert bei Wengers leisem Humor seinen Schrecken.
Diese Geschichten, in klaren Worten und kurzen Sätzen, ernsthaft und zugleich leise selbstironisch, sind es wert, Regula Wengers Erstlingswerk zu lesen. (RZ, 6. 3. 15, Michèle Faller)


Helen Liebendörfer (Donnerstag, 12. Februar 2015 im Kellertheater. Einführung Valentin Herzog) stellt ihren historischen Roman über Angela Böcklin, die Frau des Malers, vor: "Carissima mia!" Das Buch zeichnet aus dem Blickwinkel einer Frau das anschauliches Bild einer von Geld- und Gesundheitssorgen geplagten, oft – und gerade auch in Basel – angefeindeten Künstlerfamilie des 19. Jahrhunderts. Die Autorin erzählte höchst lebendig von den wichtigsten Lebensstationen, las dazu jeweils ausgewählte Passagen aus ihrem Buch und gab ausserdem interessante Hinweise auf Spuren die Böcklin und sein Meisterschüler Hans Sandreuter in Basel und Riehen hinterlassen haben.
Was diesen Vortrag zu einem eindrucksvollen Erlebnis machte, waren die Bilder: Jedes Gemälde, das im Text erwähnt wurde, erschien zeitgleich auf der grossen Projektionswand. (RZ, 20. 2. 15)


Simone Lappert (Dienstag, 20. Januar 2015 im Kellertheater. Einführung Katja Fusek) liest aus ihrem "mit viel Poesie und Sinn für skurrilen Humor geschriebenen" (K. F.) Erstlingsroman "Wurfschatten". Er erzählt von der beruflich nicht sehr erfolgreichen Schauspielerin Ada, die sich von der Angst vor allen nur denkbaren Katastrophen in eine quälende Isolation treiben lässt, aus der erst die ungewollte Begegnung mit einem gewissen Juri, einem jungen Goldschmied, vielleicht einen Ausweg zeigt.
Ada ist so etwas wie ein weiblicher Peter Schlemihl des 21. Jahrhunderts. (RZ, 23. 1. 15).