Rückschau 2011
René Regenass (29. November, Einführung
Valentin Herzog) liest drei Texte aus seinem kürzlich im OSL Verlag
erschienenen Erzählband "Eine Hand voll Zeit", in denen es meist um
verstörende Begegnungen mit Aussenseitern oder vom Schicksal
gezeichneten Personen geht – so etwa in "Das Gespräch", worin ein
nicht näher beschriebener Erzähler an einer rein fiktiven
Auseinandersetzung mit der geliebten, vorübergehend in New York
studierenden Frau zerbricht. Darüber hinaus gab der Autor einen
spannenden Einblick in sein neues work in progress, einen Roman (Arbeitstitel Die Visitenkarte), dessen Hauptfigur sich am Grab seiner Ex-Frau die Geschichte seiner Beziehung zu ihr vergegenwärtigt.
Es sind schöne, aber auch melancholische Texte,
Geschichten, die eigene Erinnerungen wachrufen und über eigene
Erlebnisse nachdenken lassen. Unspektakulär und doch so viel sagend,
schnörkellos und doch sehr einfühlsam und anschaulich erzählt.
Traurig, und doch wieder zum Schmunzeln.
(Rolf Spriessler, RZ 2. 12. 11)
Catalin Dorian Florescu (8.
November 2011, Einführung Katja Fusek) liest aus seinen beiden
jüngsten Romanen "Zaira" und "Jacob beschliesst zu lieben". Für dieses
Werk wird ihm wenige Tage später der Schweizerische Buchpreis
verliehen. Die packende, teils in Lothringen, vorwiegend aber im
rumänischen Banat spielende Familiensaga berichtet von den Anfängen
und vom vorläufigen Ende der Familie Obertin. Im Mittelpunkt steht
Jacob, der letzte Spross des Geschlechts, ein schwächliches Kind, das
vom Vater verachtet, enterbt und zweimal schändlich verraten wird, mit
der Zeit aber er ungeahnte Kräfte des Widerstands – und der Liebe
entwickelt. Florescu las die Beschreibung seiner grotesken Geburt –
und eine entsprechende Passage aus "Zaira".
Florescu gelingt es, menschliche Schicksale innerhalb
historischer Zusammenhänge und in einer detailreich und stimmig
beschriebenen Umgebung zu erzählen. (Rolf Spriessler, RZ 11. 11. 11)
Corinne Maiocchi und Heidrun Graf
(25. Oktober 2011, Einführung Elke Müller). "Chemo, Holzbein und
sonst viel Leben" lautet der Titel von Maiocchis schmalem, stark
autobiographisch gefärbtem Roman, der unsentimental und doch sehr
berührend von ihren Erfahrungen als alleinerziehende Mutter eines
krebskranken, schliesslich aber doch wieder gesund werdenden Jungen
berichtet. Die Autorin las den Anfang ihres Buches. In denkbar grossem
Gegensatz dazu steht Heidrun Grafs "Einfach so – eine Choreographie".
Der zwischen verschiedenen Ebenen oszillierend Roman über eine
schwierige Frauenfreundschaft und die noch grösseren Schwierigkeiten des
Schreibens überzeugt durch die knappe Erzählweise und die Präzision
der Beobachtungen.
Heidrun Graf spielt mit Möglichkeiten und gibt Einblick in die Gedankenwelt einer älteren Generation.
(Rolf Spriessler, RZ 28. 10. 2011)
Jens Steiner (25. September 2011,
Einführung Wolfgang Bortlik) liest aus seinem Romanerstling
"Hasenleben", der Geschichte einer unstet durchs Leben irrenden Frau
und ihrer ebenso rastlosen Tochter, die bei allem Protest gegen die
Mutter zuletzt doch deren Lebensprinzip übernimmt: "Weggehen."
"Hasenleben ist kein heiteres, aber ein sehr intensives, dichtes und
sprachlich ausserordentlich überzeugendes Buch, das es auf die Longlist
des Deutschen Buchpreises geschafft hat.
Aufhorchen lässt an "Hasenleben" auch die schöne und
neu anmutende Sprache. Immer wieder tauchen Wortschöpfungen und
Metaphern auf, die trotz ihrer Originalität … ganz selbstverständlich
daherkommen. Während der Fragerunde kam die Begeisterung des
ARENA-Publikums voll zum Ausdruck.
(Michèle Faller, Riehener Zeitung 30. 9. 2011)
Valentin Herzog (6. September 2011,
Einführung Katja Fusek) stellt seinen eben erschienenen ersten Roman
"Das geraubte Gesicht" einem ungewöhnlich zahlreichen und sehr
freundlichen Publikum vor. "Herzog … verbindet Fiktion mit sorgfältigen
historischen Recherchen und persönlichen Erfahrungen aus dem Alltag in
Etrurien. (Katja Fusek)
Mit grosser Lust las Valentin Herzog aus seinem Roman
vor. Er zog das Publikum in seinen Bann. […] Er erzählt witzig,
kenntnisreich, charakterisiert die Personen mit viel Liebe zum Detail
und baut die Spannung auf. Ein Roman voller Geheimnisse und Geschichten.
(Rolf Spriessler, RZ 9. 9. 2011)
Pedro Lenz
(22. Juni 2011, Einführung Wolfgang Bortlik)
Lenz
liest im Rahmen des Kaleidoskop aus seinem Erfolgsroman "Der
Goalie bin ig". Ein echter Unglücksrabe ist dieser Ich-Erzähler, der
übrigens nie wirklich "Goalie" (Torhüter beim Fussball) war: Nach einer
Gefängnisstrafe, die er sich mit einer Drogen-Dummheit eingehandelt hat,
findet er zwar in seinem Heimatort Wohnung und Arbeit, aber sonst macht
er mit seinem aufbrausenden Temperament so ungefähr alles falsch, was
man falsch machen kann – in der Liebe, beim Polizeiverhör, im Verkehr
mit Freunden … Lenz trug seinen Mundarttext mit seinen atemberaubenden
Sprechbögen, seinen Temposteigerungen, aber auch seinen stillen,
nachdenklichen Momenten so vor, dass aus der Lesung eine regelrechte,
vom zahlreichen Publikum intensiv genossene Performance wurde. Selten
begegnet man Texten, bei denen die literarische Verwendung des Dialekts
derart überzeugt.
KRIMINACHT RIEHEN Im Rahmen der "Mordstage 2011"
(24. Mai 2011 im Lüschersaal, Einführung Paul Ott):
Im Rahmen der an verschiedenen Orten der Schweiz und des
Auslands stattfindenden Lesungen von jeweils lokal verankerten
Kriminalgeschichten ("Mordstage 2011) las zunächst Hansjörg Schneider
einige Passagen aus seinem in Basel spielenden Kriminalroman "Hunkeler
und die Augen des Ödipus", einer nachdenklichen Geschichte, in der es
auch um das Älterwerden und die Pensionierung des beliebten
Roman-Kommissars geht. Brisanter und spannender ist Wolfgang Bortliks in
Riehen angesiedelte, speziell für die neue "Mordstage"-Anthologie
("Ausfahrt Zürich Mord") Story "Der Dreiecksmörder" geraten. Alltag,
Kriminalistik und ein bisschen Legende verbinden sich hier zu einem Text
mit allerhand Biss.
"Wahnsinnig realistisch mag die Geschichte nicht sein, ihr Korsett hingegen schon und ihr Witz macht sie lesenswert.
(Rolf Spriessler, RZ 27. 5. 2011)
Bernadette Conrad
(14. April 2011, Einführung Edith Lohner) stellt ihr eben
erschienenes Buch über diese hierzulande noch zu entdeckende
amerikanische Schriftstellerin Paula Fox vor: "Die vielen Leben der
Paula Fox". Locker und ungezwungen spricht die Autorin über die
Entstehung ihres Buches, liest dann Passagen, die von ihrer ersten
Begegnung mit der 88-jährigen Amerikanerin handeln, von ihren
Recherchen über Fox' Kindheit im Waisenhaus und bei einem Pflegevater
und über das Verhältnis zwischen ihr und ihrer eigenen Tochter, die
sie seinerzeit zur Adoption hat freigeben müssen.
Eine Würdigung von Leben und Werk der Paula Fox.
Bernadette Conrad erzählt … einen ungemein spannenden Lebensbericht,
der Lust macht auf eine Autorin, die viel erlebt und viel zu sagen
hat. (Rolf Spriessler, RZ 21. 4. 2011)
Alain Claude Sulzer
(29. März 2011, Einführung Wolfgang Bortlik)stellt
seinen neuen Roman vor, der unter dem Titel "Zur falschen Zeit" die
Geschichte einer Liebe erzählt, der zwei junge Männer verfallen. Diese
Liebe ist stärker als alle gesellschaftlichen Vorurteile, sie fegt
Schuldgefühle und Vorsätze hinweg, öffnet den Weg zu ungekanntem Glück –
und führt in die Katastrophe.
Sulzers Erzählstil fesselt und macht Lust auf mehr. Es ist
ein gelungener, leiser und leicht melancholischer Abend. Ein Abend,
der nachdenken lässt. (Rolf Spriessler, RZ 1. 4. 2011)
Hilda Jauslin
(15. Februar 2011, Einführung Edith Lohner) liest "Baaseldütschi Gidicht und Gschichte" aus ihrem neuen Band "Am
Ryy". Die Autorin schreibt nicht mit verbissenem Ernst, sondern mit
ansteckender Lust an Wort- und Klangspielen, an Experimenten aller
Art. Es ist ein heiterer und gut besuchter KALEIDOSKOP-Abend.
Die Basler Mundart fliesst genau so natürlich und
selbstverständlich durch Jauslins Geschichten und Gedichte wie der
Rhein durch Basel. (Markus Ramseier)
Raoul Schrott
(18.
Januar 2011, Einführung Valentin Herzog) entwickelt im voll besetzten
Lüschersaal temperament- und humorvoll seine unkonventionellen, für
manchen Altphilologen provokanten Überlegungen, denen zufolge Homer
kein jonischer Grieche, sondern ein Kilikier, ein Schriftgelehrter im
Dienst Assurbanipals gewesen sei und für seine eindeutig in Kilikien
spielende Dichtung assyrische Quellen (u. a. "Gilgamesch") benützt habe.
Anschliessend las er den ersten Gesang seiner in modern-heftiger
Sprache abgefassten Ilias-Übersetzung – eine grossartige, dramatische
Performance. Begeisterter Applaus, grosser Andrang am Büchertisch, nur
positive Reaktionen des Publikums.
Es geht dem Dichter
Schrott vor allem um den Spass, den er mit den alten Geschichten hat
und um ihre brachial-poetische Übertragung in ein rohes Jetzt.
(Claudia Gabler, Badische Zeitung, 20. 1. 2011)
Raoul Schrott
faszinierte das Publikum mit seinem Text und dem brillanten Vortrag.
Man sah die Charaktere vor sich, wie sie miteinander stritten, sich
versöhnten, neue Intrigen spannen …
(Rolf Spriessler, RZ, 21. 1. 2011)