Rückschau 2016
ARENA Kurzgeschichten-Wettbewerb 2016
(Mittwoch, 30. November 2016, 20.00 Uhr im Lüschersaal der Alten
Kanzlei, Moderation Valentin Herzog, Lesung der Texte Vincent
Leittersdorf).
Was fällt jüngeren oder auch älteren Autorinnen und Autoren
zum Stichwort "alt" ein? Darauf war das Team der ARENA höchst gespannt.
Erwartungsgemäss gehen die neun Texte, die von Irena Brežná, Sandra
Hughes, Ingeborg Kaiser, Peter Mathys, Maurizio Pinarello, Yves
Rechsteiner, Elisabeth Schrom, Verena Stössinger und Regula Wenger zu
diesem ARENA-Wettbewerb eingereicht wurden, das Thema auf sehr
unterschiedliche Weise an. Gleich ob von einer Frau die Rede ist, die
sich verbissen an die Illusion ihrer Schönheit klammert, von einem
einsamen, alten Mann oder von einem erbitterten Generationenkonflikt –
alle neun Geschichten sind aus eigenwilliger Perspektive erzählt und
halten manche Überraschung bereit.
Sowohl die aus den neun Autorinnen und Autoren bestehende
Jury als auch das zahlreich erschienene Publikum vergaben die Preise
(FR. 1000.- und 500.-) an den Text "Die Matratze" von Elisabeth Schrom.
Mit geringem Abstand folgten die Beiträge von Sandra Hughes und Peter
Mathys.
"Die Matratze" ist eine sehr gelungene, witzige wie auch
tragisch-melancholische Geschichte mit einem pointierten Schluss. Eine
Geschichte, die Publikum und Jury gleichermassen überzeugt. […] Der
Abend überzeugt … weil das Wettbewerbsthema aus ganz verschiedenen
Perspektiven beleuchtet wrd und sich daras so manch lohnender
Gedankengang ergibt.
(Rolf Spriessler, RZ 9. 12. 2916)
Carola Horstmann (Donnerstag, 17.
November, Kaleidoskop, Einführung Edith Lohner) liest Texte und
Gedichte in ihrer Wiesentäler Mundart aus verschiedenen Büchern und aus
Manuskripten. Horstmanns Lyrik entwirft sorgfältige Naturbilder (z. B.
eines Sonnenaufgangs) oder reflektiert auf freundliche Weise
verschiedene Lebenssituationen. Die erzählenden Texte spiegeln
Kindheitserinnerungen oder Begebenheiten des Alltags. Sie sind nicht
weniger liebenswürdig, enden meistens versöhnlich, und weckten beim
zahlreich erschienenen Publikum lebhaften Applaus.
Horstmann … las viele Geschichten aus ihrer Kindheit – in
einer liebevollen, farbigen, bildhaften und lebendigen Sprache mit
einer beinahe filmischen visuellen Präzision. Obwohl sie unspektakulär
und fast leise sprach, hörten ihr die Besucher gebannt zu.
(Paul Kienle, RZ, 25. 11. 2016)
Petra Ivanov
(Donnerstag, 27. Oktober, Einführung Katja Fusek)
In "Täuschung", dem jüngsten Kriminalroman der überaus
erfolgreichen Zürcher Autorin, geht es um ein ängstlich gehütetes
Geheimnis der Familie von Jasmin Meyer. Die ehemalige Polizistin
versucht zusammen mit ihrem Partner Pal Palushi diesem Geheimnis in
Thailand auf die Spur zu kommen. Die Autorin las einige Passagen aus dem
Anfang ihres Romans und vermochte ihr Publikum mit ihrer präzisen
Sprache und ihrer sorgfältig artikulierten Stimme zu faszinieren.
Als "vegetarische Krimis" bezeichnet Petra Ivanov die
Meyer-Palushi-Reihe. Diesen Ausdruck wählte sie, weil diese Art von
Krimis weniger brutal und gewalttätig ist … Viel spannender sei es
nämlich, nur eine kleine Drohung in die Geschichte einzubauen. Das lasse
viel mehr Spielraum für den Autor.
(Nathalie Reichel, RZ, 4. 11. 2016)
Andrei Mihailescu
(Donnerstag, 22. September, Einführung Valentin Herzog)
stellt seinen Romanerstling "Guter Mann im Mittelfeld" vor. Der
vergangenes Jahr bei Nagel & Kimche erschienene Roman erzählt die
Geschichte des Journalisten Stefan Irimescu, der zu Beginn der 80er
Jahre in Bukarest von der gefürchteten Securitate verhaftet und
gefoltert, dann aber wieder freigelassen wird. Da er sich im Gegensatz
zu vielen anderen Intellektuellen dem Meinungsterror der Diktatur zu
entziehen versucht – und ausserdem eine gefährliche Liebschaft mit der
Gattin eines Parteifunktionärs beginnt – gerät er in einen Hexenkessel
von Drohungen und Gewalt.
Direkt mit den ersten vorgelesenen Sätzen fühlt man sich
gebannt vom Schicksal des jungen Journalisten, der zwischen die Räder
der Macht Rumäniens kommt.
(Lukas Feldhaus, RZ, 30. 9. 2016)
Hans Platzgumer
(Dienstag, 23. August 2016, Einführung Wolfgang Bortik)
liest aus seinem neuen Roman "Am Rand", der die Geschichte eines
Gelegenheitsarbeiters und gescheiterten Schriftstellers erzählt. Gerold
Ebner, Sohn einer fromm gewordenen Prostituierten, kämpft zeitlebens mit
dem Stigma ein "Hurensohn" und ausserdem ein Südtiroler zu sein. Er
verstrickt sich in kriminelle Aktionen und legt als letzte Tat auf einem
einsamen Berggipfel eine (schriftliche) Lebensbeichte ab.
Es geht immer um Leben und Tod, um die großen Fragen des
Lebens in diesem düsteren Roman, der eine starke menschliche Dramatik
entwickelt. Auswendig trägt Platzgumer den Anfang vor, spricht in
intimer Ich-Form direkt die Zuhörer an, zieht sie in den Sog dieser
Geschichte einer gebrochenen Existenz.
(Roswitha Frey, Badische Zeitung,
26. 8. 2016)
Francis Picabia, Funny Guy & Dada
(Dienstag, 7. Juni 2016, Einführung Wolfgang Bortlik) Der Maler,
Schriftsteller und Provokateur Picabia, der Dada mit inspirierte, bald
aber neue Wege suchen sollte, lebt weiter in seinen Bildern wie in
seinen Schriften. Hanna Mittelstädt (Übersetzerin seiner Texte,
Herausgeberin) und Wolfgang Bortlik lesen aus einem eben bei Nautius
erschienen Picabia-Band und zeigen eine Fülle dazu passender Bilder.
An dem Abend wurde deutlich, dass Francis Picabia, Besitzer
mehrerer Autos, Lebemann und Frauenliebhaber, Provokateur und Kritiker
sehr viel dachte. Und dass sein Denken sehr oft die Richtung wechsete.
(Michèle Faller, RZ 10. 6. 2016)
Beat Sterchi und Michael Pfeuti
(Donnerstag, 19. Mai, Kaleidoskop in der ARENA, Einführung Edith Lohner)
Der einst mit seinem Roman „Blösch“ bekannt gewordene Beat Sterchi
bewegt sich heute. vor allem in der Spoken-Word-Szene und schreibt
Texte, die sich zwar lesen lassen – z.B. im kürzlich erschienenen Band
„U no einisch“ – , die aber vor allem im mündlichen Vortrag ihre starke
Wirkung entfalten: Wortklang, mantrahafte Wiederholung bestimmter
Wortgruppen und satirische Zuspitzung ergeben treffende Ausschnitte aus
unserer Wirklichkeit. Michael Pfeuti begleitete die Texte virtuos auf
dem Kontrabass und spielte zwischendurch improvisierte Solos ebenso
souverän wie etwa zwei Sätze aus Bachs Cellosuiten.
Abschliessend bleibt zu vermerken,
dass Sterchi und Pfeuti ihr Publikum zu begeistern, zu mehrfachem
Szenenapplaus hinzureissen verstanden – und dass der reich bestückte
Büchertisch zuletzt fast leergeräumt war. Auch das spricht eine
deutliche Sprache.
(Valentin Herzog, RZ 27. 5. 2016)
Armin Zwerger, Über die Eiserne Hand hinüber(Dienstag, 12. April im Gartensaal der Alten Kanzlei, EinführungValentin Herzog)
Zwerger liest aus seinem Romanerstling „Über die Eiserne
Hand hinüber“. Darin geht es um den massiven Stacheldrahtverhau, mit dem
Deutschland während des II. Weltkriegs die Grenze zur Schweiz zu
sichern suchte und der nur an der Eisernen Hand eine Lücke aufwies. Es
geht um Menschen, die diese Lücke aus verschiedenen Motiven auszunützen
suchen, und um solche, die sie mit brutalen Methoden daran hindern
wollen. Besonders eindrucksvoll die Geschichte einer jüdischen Familie,
der die Flucht über die Eiserne Hand nur unvollkommen gelingt.
Der Autor erzähle nicht mit dem
Blick eines Historikers, sondern mit der Fantasie eines Nachgeborenen
und mit viel Empathie, hatte Valentin Herzog in seiner Einführung
gesagt. Und gerade die Tatsache, dass der Roman mehr Fragen offenlasse,
als er Antworten gebe, mache das Buch so wichtig. Das Publikum war
beeindruckt.
(Rolf Spriessler, RZ 15. 4. 2016)
Christian Haller, Verborgene Ufer
(Dienstag, 1. März, Einführung Wolfgang Bortlik)
Haller stellt seinen jüngsten Roman „Die verborgenen Ufer“ vor, der von
Kindheit und Jugend des Autors handelt, allerhand Familienkonflikte
beschreibt, aber auch die frühe Begeisterung für archäologische
Forschungen, eine erste Liebe und schliesslich das Eintauchen in die
Welt der Literatur. Ausgelöst wurde das auf drei Bände angelegte Projekt
durch ein bedrohliches Ereignis: Eines Nachts unterspülte das
Hochwasser Hallers direkt am Rheinufer stehendes Haus und brachte es
fast zum Einsturz. Diesem Schrecken begegnet der Autor durch das, was er
am besten kann, durch Erzählen.
Dass zwischen den vier sehr überzeugend vorgetragenen Abschnitten (des Romans) noch sehr viel Lesenswertes wartet,war den Gästen der ARENA zweifellos klar. Sie dankten dem Autor mit langem Applaus.
(Valentin Herzog, RZ 4. 3. 2016)
Wilfried Meichtry
(Mittwoch, 3. Februar, Einführung Katja Fusek)
"Die Welt ist verkehrt, nicht wir! Katharina von Arx und Freddy
Drilhon" - eine unter Verwendung vieler Originaldokumente mit grosser
Einfühlungsgabe und auf hohem literarischem Niveau erzählte
Romanbiographie, die das Leben zweier rebellischer, ansonsten aber
grundverschiedener Menschen darstellt: Katharina stammt aus bürgerlichen
Schweizer Verhältnissen, lehnt sich aber gegen die herkömmliche
Frauenrolle auf, wird abenteuerliche Journalistin und zuletzt die
Hüterin eines kulturgeschichtlich bedeutsamen Hauses in Romainmôtier.
Freddy entstammt einer französischen Grossbürgerfamilie, mit der er sich
aber schon als Junge verkracht, kämpft im Weltkrieg, wird Fotograf und
Filmer, begleitet Katharina in die Südsee, wo sich eine heftige Liebe
zwischen den beiden entwickelt.
Meichtry las Passagen aus seinem Buch, berichtete über seine
Begegnungen mit Frau von Arx und ihrem gigantischen Archiv, zeigte Fotos
und Ausschnitte aus seinem im Entstehen begriffenen Dokumentarfilm über
Katharina und Freddy. Das sehr zahlreiche Publikum folgte seinen
Ausführungen mit grösster Spannung und Aufmerksamkeit.
Wilfried Meichtry vermittelte dem Publikum im Kellertheater der
Alten Kanzlei ein lebhaftes Bild der Abenteurerin und Reisejournalistin
Katharina von Arx.
(Rolf Spriessler, RZ 12. 2. 2016)
Barbara Honigmann
(Donnerstag, 14. Januar, Einführung Edith Lohner)
Honigmann stellt ihren Roman "Chronik meiner Strasse" vor.
Darin schildert sie auf humorvolle Art das Leben in der Strassburger rue
Edel, in der sie seit ihrer Übersiedlung in den Westen (1984) mit ihrer
Familie lebt. Es ist eine eher schäbige Strasse, bewohnt von Arabern,
Afrikanern, Asiaten, unterprivilegierten Menschen aus dem "anderen
Frankreich" - und einigen jüdischen Familien. Honigmann sieht hier einen
Kosmos im Kleinen – und bleibt an der rue Edel wohnen, während die
meisten Leute, sobald sie können, in bessere Quartiere umziehen.
Honigmanns Humor ist – und das ist für einmal ein
positives Vorurteil – typisch jüdisch: trocken, subtil, nie
despektierlich und doch schlitzohrig und augenzwinkernd.
(Boris
Burkhardt, RZ 22. 1. 2016)